Ich bin ja eigentlich nicht der große TV-Serien-Gucker. Gut, früher habe ich „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“ und „Zur See“ geschaut. Beim Studium lief im Wohnheim zur Abendbrotzeit manchmal das „Großstadtrevier“ und später, zu schlechten Zeiten, habe ich mir auch mal ein paar Folgen „GZSZ“ reingezogen.
Vor ein paar Tagen habe ich mich überreden lassen, die amerikanische Serie „O.C. California“ (The O.C.) mitzugucken. Nette Episoden aus dem Leben der Reichen und Schönen in Südkalifornien – Liebe, Triebe, Schmerzen und Intrigen, durchaus schön anzusehen, mit einer Portion Humor gewürzt.
Gegenwart
In einer der der ersten Folgen zieht sich einer der Protagonisten, Seth Cohen (Adam Brody), eine braune Trainingsjacke mit Gelb-Roten Streifen am Ärmel an. Moment mal, solche Trainingsanzug-Jacken kenne ich doch, kann aber auch nur Zufall sein, daß die so aussieht wie die, an die ich denke. In einer weiteren Szene wird dann aber deutlich, das ich mich doch nicht verguckt habe, auf der Brust prangt das ASV-Symbol.
Richtig gelesen, ASV – die Armeesportgemeinschaft „Vorwärts“ der NVA. In einer amerikanischen Fernsehserie des Jahres 2003 trägt ein Hauptdarsteller eine DDR-NVA-Trainingsjacke.
Da frage ich mich, weiß der überhaupt, was er da an hat. Wie Funktioniert das beim Film oder Fernsehen eigentlich mit den Klamotten, ist da immer genau festgelegt, wer welche Kleidung trägt? Bei historischen Filmen ist es klar, da muß bis zum letzten Kleindarsteller jeder kostümiert werden. Aber bei Gegenwartsgeschichten, wird da festgelegt, daß Seth Cohen in der und der Szene eine DDR-NVA-Trainingsjacke trägt oder heißt es nur „trägt eine Trainingsjacke“ oder kann sich das der Darsteller aussuchen? Würde mich mal interessieren, vielleicht kennt sich je einer der Leser in der Film- und Fernsehbranche aus.
Rückblende
Es ist der 2. Mai 1985, um 5 Uhr klingelt der Wecker, ich muß pünktlich 6 Uhr beim Wehrkreiskommando in der Wendenschloßstraße sein. Ein LKW W50 bringt ein paar andere jungen Männer und mich zum Güterbahnhof Köpenick, gegen 7 Uhr steigen wir in den Zug. Eine lange Fahrt durch die halbe DDR zur Insel Rügen beginnt, oft halten wir an, ein paar Jungs steigen aus, andere ein. Vor dem Rügendamm stehen wir geschlagene zwei Stunden, auf der Insel zuckelt der Zug fast im Schrittempo Richtung Ziel. Nach 11 Stunden Fahrt komme ich in Prora an. Hier beginnt mein Wehrdienst bei der NVA. Zusammen mit hunderten weiterer Rekruten werden ich in einer großen Halle meiner Kompanie und meinem Zug zugeteilt.
Dort erhalten wir auch die erste „Uniform“, schwarze Turnschuhe, rote Turnhose, gelbes Turnhemd und einen braunen Trainingsanzug mit rot-gelben Streifen an den Ärmeln. Genau so einen, wie ihn Seth Cohen in „O.C. California“ trägt. Für uns ist das für eine Tag lang die einzig erlaubte Bekleidung, im Laufe des nächsten Tages bekommen wir dann die richtigen Uniformen und alle anderen Ausrüstungsgegenstände.
Heute
Ich muß mal gucken, ob ich noch so eine ASV-Trainingsjacke irgendwo rumzuliegen habe, vielleicht im Keller oder auf dem Dachboden, oder hatte ich sie doch irgendwann weggeschmissen? Was ich aber noch habe, ist mein DTSB-Mitgliedsbuch, denn jeder Armeeangehörige wurde automatisch Mitglied im „Deutschen Turn- und Sportbund“ der DDR, in meinem Fall in der Armeesportgemeinschaft „Vorwärts“ Prora II, 2352 Prora PF 26366. Die wichtigste Aufgabe für Mitglieder war die pünktliche Beitragszahlung und der Erwerb von Spendenmarken. Schon damals ging es meist nur ums Geld.