Von wegen „Nichts los in Schwerin„, stimmt gar nicht, man muß halt nur wissen wann und wo die interessanten Veranstaltungen stattfinden.
So gab es gestern abend im Saal der Musik- und Kunstschule ATARAXIA einen Vortrag, nein, besser gesagt einen Erlebnisbericht des Posaunenlehrers und Soloposaunisten der Mecklenburgischen Staatskapelle Sven-Matthias Brandt über seinen viermonatigen Aufenthalt in Venezuela. Er unterrichtete dort Kinder, die im Rahmen des „Systems der Jugend- und Kinderorchester“ ein Musikinstrument erlernen.
Zunächst wurde der preisgekrönte Film „Tocar Y Luchar“ (spielen und kämpfen) gezeigt, eine gute Einführung in das Thema. Ich hatte zwar schon etwas von und auch über dieses venezolanisch Orchester gehört, aber was es nun genau damit auf sich hat, war mir bisher nicht bekannt. Beeindruckend waren für mich besonders die großen Dimensionen, da waren dann halt 250 bis 280 Musiker auf der Bühne und dahinter stand noch ein etwas 500 Sänger starker Chor. Davon kann man hier in der Provinz nur träumen :-)
Andererseits ist das natürlich nur die Spitze, denn große Dimensionen hat auch das dahinter stehende Netzwerk aus vielen regionalen Musikzentren, in denen derzeit mehr als 250000 Kinder das Musizieren erlernen. Das System wird ständig erweitert und ausgebaut, so daß demnächst sogar 1 Millionen Kinder und Jugendliche eingebunden werden sollen.
Der spannende Teil begann nach dem Film, Herr Brandt antwortete auf Fragen aus dem Publikum und erzählte illustriert durch Fotos und Videos über seine Erlebnisse und Erfahrungen bei der Arbeit in Venezuela. Es war gewissermaßen ein Blick hinter die Kulissen des im Film Gezeigten, und da ist nicht immer alles so schön bunt und harmonisch, wie der normale Zuschauer es vermittelt bekommt.
Auf dem Foto oben ist Sven Brandt mit seinen Schülern bei der Probe auf einem Balkon zu sehen, diese mußte aber wenig später abgebrochen werden, weil es in unmittelbarer Nähe eine Schießerei gab. Eine weiteres Bild gestern Abend zeigte einen unscheinbaren Betonbau, vergitterte Fenster, hohe Mauer mit Hochspannungsdraht ringsherum. Aha, dachte ich, das wird ein Gefängnis sein. Ist es aber nicht, das ist die Schule.
Es sind die vielen spannenden, kleinen Begebenheiten und Eindrücke, die ein plastisches Bild von einem Land zeichnen, daß ich bisher wenig kannte. Die mehr als zweieinhalb Stunden vergingen wie im Flug und es hätte von mir aus noch weitergehen können :-)
Nun soll keiner sagen, er hätte nichts gewußt, die Veranstaltung wurde u.a. in der SVZ vom Dienstag (Seite 15, Stadt-Kultur) angekündigt. Wer den gestrigen Termin verpaßt hat, muß aber nicht traurig sein, am 17.11. gibt es um 19:30 im Konzertfoyer des Theaters eine weitere Möglichkeit, Venezuela besser kennenzulernen. Ich würde ja sogar nochmal hingehen…
Foto mit freundlicher Genehmigung von Sven-Matthias Brandt.